In meiner Schweigewoche in einer meiner ersten Besuche in Taizé erhielt ich von frère Rudolf einen ganz speziellen Text. Er war aus der damaligen CSSR. Es sah aus wie das Abhörprotokoll einer westlichen Radiopredigt. Das war Tarnung, weil Christen in diesem Land verfolgt wurden.
Es war die Geschichte von Simon von Cyrene, der Jesus das Kreuz tragen musste. Viel weiss man nicht von ihm. Er war aus Cyrene, also irgendwo in der Diaspora in Lybien. Als Jude wollte man wenigstens einmal im Leben die Pilgerfahrt nach Jerusalem machen und dort ein kleines Grundstück kaufen. Mindestens für ein Grab sollte es reichen. Und natürlich einmal in Jerusalem den Sederabend feiern. Das ist die Erfüllung, sagt man doch auch noch heute am Schluss des Seder: "das nächste Mal in Jerusalem". Weil der Messias ja in Jerusalem herrschen wird.
Alles ist erledigt. Simon kommt von seinem neu erworbenen Grundstück. Und er begegnet diesem Kreuzzug. Für's Seder muss man rein sein, also keinen Kontakt mit Blut, mit Schlechtem... Da passiert es: der zum Tod verurteilte scheint schon so geschwächt, dass er seinen Kreuzbalken nicht mehr tragen mag. Die Soldaten suchen eine andere Lösung und sehen Simon und zwingen ihm das Kreuz auf. Von einer Minute auf die andere wird Simon unrein, der Seder wird ihm verwehrt sein, all sein Streben wird sinnlos. Er ist am Boden zerstört.
Auf dem weiteren Weg mit Jesus auf den Hügel Golgatha scheint aber etwas mit diesem Simon passiert zu sein. In frühchristlichen Schriften finden wir nämlich diesen Simon von Cyrene wieder als gläubigen Christen. Von der tiefsten Verzweiflung, der Zerstörung aller Lebensträume zum Glauben an den Auferstandenen.
(Dass nur der bartlose Bub Johannes mit den Frauen unter dem Kreuz war, könnte auch damit zu tun haben, dass die Männer sich nicht mit Blut besudeln wollten!)